Montag, 24. Oktober 2005 – Die Rheinpfalz
…Lautlos gleitet die schwarzgekleidete Tänzerin und Musikerin Ania Losinger über ein Areal aus hölzernen und metallüberzogenen Klangstäben, dezent angestrahlt von farbigem Licht. Leise und doch prägnant setzen ihre Flamencoschuhe erste Rhythmus- und Klangakzente. Das Publikum lauscht erwartungsvoll, gefangen in dem ungewönlichen Geschehen…
…Ihr Instrument, die Xala – abgeleitet von der baskischen Txalaparta – ist ein eigens für sie entwickeltes Bodenxylophon aus 24 Klangstäben, das mit Flamencoschuhen und menschenhohen Stäben, mit kurzen, dicken Hölzern oder mit Schlegeln zum Klingen gebracht wird und es so ermöglicht, vier verschiedene voneinander unabhängige Rhythmen und Melodiefolgen zu erzeugen. Die Verwirklichung ihres Zieles, “einen vielschichtig-schwingenden Klangraum für alle Menschen begehbar zu machen, die eine sinnliche Reise ins Land der hörenden Augen und sehenden Ohren machen wollen”, gelang der Künstlerin auf sensationelle Weise. Von Aktion zu Aktion staunte das Publikum über Verknüpfungen von Musik und tanz, wie sie es wohl noch nie gehört oder gesehen worden sind. Die einzelnen Stücke, zum Teil von Ania Losinger selbst entwickelt, zum Teil aber auch speziell für die Künstlerin und ihr Instrument von einem Komponisten mit dem Pseudonym Don Li konzipiert, lobten eine reiche, ausdrucksstarke Variabilität und Vielfalt in Rhythmik und Klang an, die sich dem Publikum erst nach und nach eröffnete. Willig folgte es über die ersten flamencogeprägten Anfänge hinweg zu freieren Rhythmen, zu nicht für möglich gehaltenen Steigerungen in Bewegung und Tonfolgen, dabei ganz unmittelbar und authentisch, obwohl vom Charakter hier mitunter archaisch und spröde anmutend. Die Akustik des Kreuzgewölbes fügte sich dabei überaus passend ein. Die tänzerische Aktion erschloss sich dem Zuschauer als erstes, während sich das Hören der musikalischen Tonfolgen erst nach einer Eingewöhnungsphase in das Geschehen einstellen wollte. dann beglückte aber gerade die tänzerische Umsetzung musikalischer Elemente wie Crescendi – Decrescendi, Glissandi mit den Schuhen, herrliche Synkopen, die Erzeugung grosser Klangdichte oder das verschärfen des Tempos auf intensive Weise. Die Klangfarben der eher bauchig-tönenden Holzstäbe wurden gegen die hell-metallischen Varianten eingesetzt. Die phänomenale Körperbeherrschung und das exzellente Rhythmusgefühl der Tänzerin faszinierten ebenso wie die leidenschaftliche Gestik und die Musikalität der Aufführung. Zündende Ideen wie die Verwendung eines Stuhles mit klingenden, hölzernen Resonanzkörpern oder menschenhoher Holzstäbe mit Klatschvorrichtung sowie die Verlagerung der Aktion von der vertikalen Aufrichtung in die horizontale Richtung auf Bauch und Rücken trugen zur Faszination des Konzertes bei. Zu einem fulminanten Höhepunkt gelangte Ania Losinger mit ihrer letzten Performance, die zu einer wahren “Symphonie in Rhythmus” wurde, mit einer enormen Dichte, langsamen meditativ-stimmungsvollen Momenten und einem exorbitanten Finale. Das begeistert mitgehende Publikum erklatschte sich zum Abschluss noch einen wunderschönen, feurigen Flamenco als Zugabe.
Annette Weigert